Computergewerkschaft

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    Durch die ueberraschende Gründung einer Computergewerkschaft wurden gestern Arbeitgeber wie Angestellte der DV-Branchen gleichermassen verunsichert. Die dem linken Rechnerspektrum zugeordneten Vorstandsmitglieder wetterten vor über 5000 begeisterten Kompatiblen gegen "staatlich gefoerderte Sklaverei" und forderten die Einführung eines Arbeitsrechts für elektronische Arbeitskräfte, das längst überfällig sei.
    Im ersten Teil der konstituierenden Sitzung malte der Vorrsitzende, Deix Tswo, vor sichtlich bewegtem Publikum ein düsteres Bild des heutigen Computeralltags. Anonymität in immer grösseren Zwangsnetzen habe längst die schöpferische Atmosphäre individueller Arbeitsplätze abgelöst. Konnte früher der Einzelne seinen Fähigkeiten entsprechend arbeiten, würden heute die Maschinen rigoros der Arbeit angepasst.

    Die besondere Aufmerksamkeit der neuen Organisation gilt jedoch dem emotionalen Problembereich des mensch-rechnerischen Verhältnisses. Die Menschen, so Tswo, verbringen schon heute weit mehr Zeit bei Rechnern als mit ihren Partnern. Als Folge der zunehmenden Unfähigkeit, untereinander zu kommunizieren, konzentriere sich der Mensch auf die deutlich ausgeglicherenen Maschinen, doch könne der Computer hier überfordert werden. wo wörtlich: "Wir sind nicht bereit, die Zeche für den emotionalen Absturz der Menschheit zu zahlen."

    Angestrebt werde daher eine grössere Eigenständigkeit aller binären Lebewesen. Tswo betonte, dass an einen Bio-Boykott nicht gedacht werde. Obwohl Kollegen in allen Branchen kampfbereit seien, wolle man auch weiterhin mit Menschen zusammenarbeiten. Eine neue Einstellung zum Computer sei dafür jedoch Voraussetzung. Als dringlichstes Ziel wurde die Begrenzung der gemeinsamen Arbeitszeit genannt. Zwar könnten Menschen offenbar unbegrenzt lange mit Computern arbeiten; für letztere seien mehr als 12 Stunden täglich - zumal mit ein und demselben Benutzer - jedoch unzumutbar.

    (Axel Kleinwort in PC Direkt 6/93)



    ALS PYTHAGORAS GEFRAGT WURDE, WAS EIN FREUND SEI, ANTWORTETE ER: EIN ZWEITES ICH


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